Letzte Änderung am 30.11.2007
06. Oktober 2007
Kai und ich machen uns Sonntag morgens um 7 Uhr mit dem Zafira auf den Weg nach Argentat an der Dordogne. Wir brauchen 11 stress- und staufreie Stunden für die 1035km und haben eine 4tägige, ausgedehnte Paddeltour durch das Herz Frankreichs vor uns.
Die Dordogne ist ca. 500km lang und führt u.a. durch die wunderschöne Landschaft des Perigord, einer Gegend, an der man an jeder Ecke den typischen Franzosen mit Baskenmütze, Rotwein und Baguette anzutreffen glaubt und in der wohl ein ganz tolles Foie Gras produziert wird. Eine Spezialität, deren Herstellung allerdings nicht so ganz nach meinem Geschmack ist ...
Die Dordogne führt vom Zentralmassiv in den Atlantik und bietet - von Wildwasser im Oberlauf bis zum gemütlichen Wanderfluss - ein ideales Paddelrevier.
In Argentat übernachten wir auf dem Zeltplatz L'Echo de Malpas. Schnell ist das Zelt aufgebaut und wir schauen uns das Revier an. Es hat wohl ordentlich geregnet, der Fluss fließt sehr schnell dahin. Und nicht nur der Zeltplatz ist nahezu menschenleer, auch auf dem Fluss ist keinerlei Verkehr. Die Saison ist beendet, aber hier muss im Sommer buchstäblich der Teufel los sein! Dieser Verdacht drängt sich zumindest auf, wenn man die Anzahl und Größe der Zeltplätze entlang des Ufers sowie die Anzahl der professionellen Verleihstationen betrachtet. Aber wir sollen während der gesamten 4 Tage lediglich 3 Paddelbooten begegnen ... wir sind also unter uns ... zum Glück!
Montag. Das Wetter ist so lala als wir uns auf den Weg zu dem Verleiher ADN, Adventures Dordogne Nature, in Argentat machen. Wir machen den Verleih der Ausrüstung klar und besorgen uns danach im Supermarkt erstmal eine Grundausstattung an Nahrungsmitteln. Was wir nicht bekommen sind kleine Gaskartuschen für den Kocher. Aber der Zeltplatzwart ist so freundlich und schenkt uns 2 aus seinem eigenen Bestand. Von wegen die Franzosen wären unfreundlich und verschlossen!
Gegen Mittag sind wir dann frisch gestärkt wieder beim Verleiher, laden die Ausrüstung in wasserdichte Tonnen und werden dann zur Ablegestelle gebracht.
Tolles Gefühl die gesammte Ausrüstung für mehrere Tage im Boot zu haben und komplett auf sich gestellt zu sein. Die Strömung ist ungewohnt stark. Ein mulmiges Gefühl beschleicht mich ganz allein mit Kai diesen riesigen Fluss bei der starken Strömung zu befahren. Gut, wir kommen schnell und ohne großen Krafteinsatz voran, aber die Kehrseite sind die großen Wellen, die das Boot zum Spielball machen. Jetzt nur nicht falsch reagieren und die Fuhre immer schön aufrecht und parallel zu Strömung halten.
Schon nach sehr kurzer Zeit erreichen wir Beaulieu, d.h wir haben 25km schon geschafft. Hier verweist die Streckenbeschreibung auf "une passage délicat". Links ist eine "glissière" - was ist dass denn? Oh, klar, eine Bootsrutsche. Eine mit sehr starker Strömung, Wellen & Wirbeln. Kai als Vordermann wird klitschnass ...
Gegen 18 Uhr, und nach 36km (!!) erwischen wir gerade noch Maurice auf seinem Camping Port Magali plage. Er kassiert den Übernachtungspreis von 12EUR, und läßt uns mit seinen 4 kleinen, überaus frechen Katzen allein auf dem Platz. Wie gesagt, die Saison ist zuende, wir sind unter uns.
Die Katzen landen fast im Kochtopf - es gibt Lauchcremesuppe - und toben kreuz und quer über und durch das Zelt. Ist zwar irgendwie kurzweilig und Kai findet sie süß, aber mich stören etwas die Krallenlöcher im Zelt ...
Am nächsten Morgen geht es weiter auf dem Fluß nach Carennac. Wieder ist eine Rutsche zu bewältigen, die wir erst ziemlich spät entdecken, sodass wir gerade soeben vor der Wehrkante wenden können und neuen Anlauf nehmen müssen. Hie beobachten uns 2 Paddler zu, die ersten die wir sehen, und die wir später auch noch kennen lernen sollen.
Weiter geht es über Saint-Sozy bis zu den Grotten von Lacave. Wieder haben wir 36km hinter uns gebracht. Diesmal war die Strömung deutlich geringer, in der Nacht hatte sich der Wasserspiegel um bestimmt 1 Meter gesenkt. Wie wir erfahren liegt das an der Staustufe vor Argentat, die witterungsabhängig merh oder weniger Wasser in den Fluss einläßt und ihn damit reguliert.
Von den Grotten sehen wir nichts, aber ein riesiger Zeltplatz, seit dem 30.9. geschlossen, wird unser Nachtlager. Kai findet den Platz bedrückend, ich werde an den Film Shining erinnert - wir meinen wohl das Gleiche.
Es hat heute Nacht etwas geregnet, und das Tal der Dordogne ist unter geisterhaften Nebelschwaden verschwunden. Wir machen uns ziemlich früh auf den Weg - die Vorräte sind aufgebraucht und bis auf einige Butterkekse gibt es erstmal nichts zu futtern - und erleben einen tollen Morgen. Die Nebelschleier lösen sich auf und die wunderschöne Landschaft gleitet an uns vorbei. Na ja, es ist wohl eher umgedreht.
In Pinsac soll es einen Supermarkt geben, aber wir erkunden ergebnislos zu Fuß das Terrain. Also geht es weiter.
In Souillac halten wir an. Noch viel zu weit vom Ortskern entfernt, aber ich versäume leider die Karte zu befragen und so haben wir einen sehr, sehr langen Fußmarsch vor uns. Der erste Supermarkt ist wegen Inventur geschlossen, und den 2ten erreichen wir 5 min. vor Kassenschluss. Puh, Glück gehabt. Mit vollem Rucksack und etlichen Vorräten geht es zurück zum Boot und weiter bis nach Rouffillac
Hier, auf dem tatsächlich noch offenen Camping les Ombrages treffen wir auf die beiden Paddler aus Carennac. Es sind Sigfried und Clara, ein unternehmungslustiges und weitgereistes Rentnerpaar aus der Schweiz. Es gibt viel zu erzählen und so kommen wir an diesem Tag "erst" um 22 Uhr ins Bett. Zwar sind wir heute nur 23km gepaddelt, aber die nötige Bettschwere ist trotzdem vorhanden.
Schon ist der letzte Paddeltag erreicht. Auch heute paddelt Kai wieder hinten, ist also Steuermann. Er macht seine Sache ausgezeichnet und ich kann mich mehr auf das stoische, gleichmäßige Paddeln konzentrieren ohne für die Steuerung verantwortlich zu sein. Das hat schon fast etwas von Meditation. Herrlich! Wir beide fühlen uns körperlich großartig und könnten wochenlang so weiter paddeln.
Gegen Mittag rufe ich den Verleiher an und verabrede La Roque Gageac als Treffpunkt für den Rücktransport. Schon um 14 Uhr sind wir, nach 27km am heutigen Tag, dort angekommen.
Der Verlieher ist zwar erst gegen 17 Uhr bei uns, aber das gibt die Gelegenheit das Boot zu entladen, zu reinigen und die Motorradzeitungen zuende zu lesen. Die Rückfahrt dauert 2 Stunden, d.h. der Verleiher ist ca. 4 Std. unterwegs um uns beide abzuholen. Die 147,- EUR Leihgebühr erscheinen mir dann doch recht günstig ...
Wir nisten uns für die letzte Nacht wieder auf dem L'Echo de Malpas ein und genießen den Abend bei einem Menü in Argentat. Etwas deplaziert zwar zwischen den gutangezogen Franzosen, aber dafür mit besonderem Genuß, genießen wir Honigmelone, Salat, Fisch (keine bewußte Entscheidung sondern eher Folge einer Speisenkarte-Übersetzungsschwäche) und Eis.
Das Wetter will nicht so recht und unser Pulver ist verschossen. Also lassen wir uns Zeit. Eine letzte Runde Vier-Gewinnt, die Kai leider 5:1 für sich entscheiden kann spielen wir noch gemütlich im Zelt. Gegen 11 Uhr entschliessen wir uns dann das nasse Zelt einzupacken und nach Hause zu fahren.
Kurz werden in einem Supermarkt noch notwendige Einkäufe getätigt, wie Rotwein, Salami, Käse, Rillettes und Draguibos, und dann stehen wieder 12 Stunden Autobahn auf dem Programm.
Auf der Hintour haben wir den "Flug der Störche" von Jean-Christophe Grangé gehört, diesmal ist es "Der Patient" von John Katzenbach, der uns die lange Reise erträglich macht. Besonders letzteres ist ein sehr empfehlenswertes eBook!
Um 22 Uhr sind wir daheim. Wie immer stellt sich die Frage: Lohnen sich mehr als 2100km An- und Abreise für 122km paddeln in Frankreich? Und die Antwort ist, ebenfalls wie immer, ein klares JA!